Haus Pithan


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Heimatzentrum 
Dreis-Tiefenbach
 

Dreis-Tiefenbach ist ein Ortsteil der Gemeinde Netphen (jetzt: Stadt Netphen) im Kreis Siegen-Wittgenstein. Eine erste urkundliche Erwähnung findet sich im Jahre 1239.

Die Region ist geprägt durch Land- & Forstwirtschaft sowie den Erzbergbau und die Stahlindustrie.
 
     

Vortrag vom 18. Januar 2008  


 
 
Wilhelm Kühn - Schulmeister aus Leidenschaft

Von der „Universität” Nauholz zum „Fegefeuer” Dreisbach
 
Eine der markantesten Persönlichkeiten unserer Dorfgeschichte ist der Schulmeister Wilhelm Kühn, der im Jahre 1800 in Bürbach geboren wurde. Er unterrichtete von 1839 bis 1860 an der evangelischen Schule in Dreisbach, derselben Schule, an der auch Jung-Stilling von 1757 bis 1759 wirkte. Wilhelm Kühn, dem zuvor die Kinder in Nauholz und Beienbach anvertraut waren, hat mit seiner „Selbstbiographie oder Freuden und Leiden eines Schulmeisters aus 33jähriger Amtserfahrung” ein einzigartiges Zeitdokument hinterlassen, das nicht nur persönliche Erlebnisse und Empfindungen beschreibt, sondern auch die Lebens- und Schulverhältnisse in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Siegerland widerspiegelt. Weiter wird darin deutlich, wie er immer wieder mit festem Glauben und unerschütterlichem Gottvertrauen auch tiefe Enttäuschungen und scheinbar ausweglose Notlagen überwand.

So schildert Wilhelm Kühn seine Schulzeit in Bürbach, bei der er die unterschiedlichsten Lehrertypen vom „Stockmeister” bis zum verständnisvollen Pädagogen erlebte, so dass er schließlich nicht nur zum „Gehülfen”, sondern mit 13 Jahren auch zum Prediger in der Dorfkapelle avancierte. Doch der dadurch gelegte „Keim zum Schulmeister” konnte sich nach der Schulentlassung zunächst nicht entwickeln; denn als sein Vater um diese Zeit starb, musste er zehn Jahre lang als Leineweber zum Unterhalt der Familie beitragen. 1824 übernahm er die Schulmeisterstelle in Nauholz, wo er zwar neben einem spärlichen Lohn, der keinesfalls den des Hirten erreichen durfte, die Kost im Reihumgang erhielt. Für die Unterkunft musste er jedoch alle denkbaren Arbeiten vom täglichen Kartoffelschälen, vom Besenbinden und Weben über Meilersetzen, Heumachen und Dreschen bis zur Kinderpflege verrichten. Wie er resümierte, hat er „auf dieser Universität” fast alle Fächer, „welche in dieser alten Zeit in der Schulmeisterwelt vorkommen”, gut bestanden. Obwohl durch die zahlreichen Nebentätigkeiten die Schule zeitweise zur Nebensache geriet, konnte er das Niveau der Schule, die noch einige Jahre zuvor vom Hirtenjungen in der Winterzeit geleitet wurde, deutlich verbessern. Nach zwei Jahren verließ er „das liebe Naturvölkchen” und übernahm die Schule in Beienbach.

Auch hier verstand er es, die Kinder ohne Stock für das Lernen und für gutes Benehmen nicht nur in der Schule zu begeistern, so dass sogar im Sommer kaum ein Kind die Schule versäumte. Daneben kümmerte er sich um alle Kranken im Dorf. Er besuchte sie regelmäßig und organisierte auch weitere Hilfe, zumal sie oft in geradezu erbärmlichen Verhältnissen lebten. Nachdem hier 1835 der Wandeltisch abgeschafft worden war, erhielt er einen entsprechend höheren Lohn. Damit hätte er es sich in Beienbach gut gehen lassen können, zumal er ein bescheidenes Leben führte. Doch sein Ruf als engagierter Lehrer war auch in Dreisbach bekannt. Dem Drängen des dortigen Schulvorstandes gab er schließlich nach und übernahm 1839 die evangelische Schule.

Diese Schule war durch das Alter und die Gebrechlichkeit des letzten Lehrers arg heruntergekommen. Mit ganzer Kraft setzte er sich für die umfassende Verbesserung der Verhältnisse ein. Durch seine Heirat 1840 hatte er sich eine Entlastung für seine aufreibende Tätigkeit versprochen. Doch durch wiederholte Wohnungswechsel, ständige Kränklichkeit seiner Frau und auch durch die in der Folgezeit geborenen Kinder entstand eine Notlage, die immer bedrängender wurde. So musste er schließlich seine Taschenuhr für Brot versetzen, und seine Frau konnte wegen mangelnder Kleidung jahrelang den Sonntagsgottesdienst nicht besuchen. Er sah sich schließlich gezwungen, einen Unterstützungsantrag an die Regierung in Arnsberg zu stellen. Diese Notlage und menschliche Enttäuschungen müssen ihn sehr stark seelisch belastet haben, so dass er sich vom Gemeinschaftsleben völlig ausgeschlossen fühlte. Dazu erkrankte er selbst seit 1855 mehrere Male lebensgefährlich, weil er auf seine Gesundheit nie Rücksicht genommen hatte, um seine Schule zu eine der besten im Kirchspiel Netphen zu machen. Sein unerschütterlicher Glaube, das geht aus seinen Aufzeichnungen immer wieder hervor, ließ ihn zwar alle verzweifelte Notlagen überstehen. Doch sah er seinen Lebensabschnitt in Dreisbach als eine einzige Zeit der Bedrängnis an: „Wenn es denn ein Fegefeuer gäbe, dann bin ich hier solange darin gewesen.”

Im Herbst 1859, eineinviertel Jahr nach der Niederschrift seiner Biographie, konnte Wilhelm Kühn keinen Unterricht mehr erteilen. Im Januar 1860 verstarb er und hinterließ neun Kinder, davon sechs unter 14 Jahren. Durch die heranwachsenden Kinder war es der Familie 1864 möglich, die Hälfte eines Doppelhauses zu kaufen, das seitdem unter „Lehrersch” bekannt war (früher Siegstraße 107, bis zu seinem Abbruch im Jahre 1978 von den Nachfahren Burgmann bewohnt). Auch das Haus Heide, heute Siegstraße 156, wurde „Lehrersch” genannt, weil hier ein Sohn des Lehrers Kühn gewohnt hat. Die fünf ältesten Söhne waren in Dreisbach verheiratet und haben hier und in der Umgebung zahlreiche Nachkommen hinterlassen. Die beiden jüngsten Söhne Karl und Rudolf traten in die beruflichen Fußstapfen des Vaters und waren zeitweilig gleichzeitig in Grüne bei Iserlohn Lehrer. Einer ihrer Söhne ist sogar Ehrenbürger von Iserlohn geworden. Ihre weiteren Nachfahren sind u.a. in Sundern und Gummersbach zu finden. Beide Töchter des Wilhelm Kühn wurden Diakonissen in den von Bodelschwing`schen Anstalten in Bielefeld.

So hat Wilhelm Kühn, der in Bürbach die Dorfschule besuchte und segensreich als Schulmeister in Nauholz, Beienbach und besonders in Dreisbach wirkte, trotz eines entbehrungsreichen Lebens durch seinen vorbildlichen und selbstlosen Einsatz bis heute Spuren in der Geschichte unseres Dorfes und darüber hinaus hinterlassen.

Dreis-Tiefenbach, im Februar 2008
Ferdinand Lutz
 
 



 
 
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